Ostsee Umrundung


From de.rec.fahrrad Thu Nov 24 14:01:29 1994

Newsgroups: de.rec.fahrrad

From: SP_PA@sp.physik.uni-paderborn.de (Peter Alteheld)

Zusammenfassung

Endlich ist es soweit. Nach langem Tippen habe ich meinen Radreisebericht
um die Ostsee fertiggestellt. Er kommt als Neunteiler. Zunaechst mal
hier eine stichwortartige Zusammenfassung


Ich bin zwischen dem 21.7.94 und dem 26.8.94 (fast) um die Ostsee geradelt.
Es war eine schoene Tour und das Wetter hat auch sehr gut mitgespielt.


Wesentliche Punkte:
-------------------


  - Dauer: 37 Tage
  - Strecke: 4240 km
       Hamburg - Schleswig/Holstein - Daenemark (Grenze-Frederikshavn) -
       Norwegen (Moss-Ostby) - Schweden (Sorsjoern-Grisslehamn) -
       Aland-Inseln (Eckeroe-Mariehamn) - Finnland (Naantali-Helsinki) -
       Estland (Tallinn-Valga) - Lettland (Valka-Bauska) - Litauen
       (Salociai-Lazdijai) - Polen (Sejny-Kostrzyn) - Brandenburg -
       Berlin - Magdeburg - Hannover - Paderborn
  - Faehren:  1. Frederikshavn (DK) - Moss (N)             ca. 60 DM
              2. Grisslehamn (S) - Eckeroe (Aland, FIN)    ca. 10 DM
              3. Mariehamn (Aland,FIN) - Naantali (FIN)    ca. 30 DM
              4. Helsinki (FIN) - Tallinn (EST)            ca. 40 DM
  - Visum: in Tallinn im Hafen fuer DM 50 in Reisepass gestempelt bekommen
  - schlimmste Panne: kaputte Felge (deutete sich in Lettland, in Riga
            neue Felge besorgt, musste in Masuren gewechselt werden)
  - guenstigster Campingplatz: Vaibla (EST) ca. 1 DM
  - preisWERTester Campingplatz: Krzyz (PL) ca. 1.80 DM
  - bester Kuchen: Daenemark
  - guenstigster Kuchen: Estland/Lettland (Stueck 10-25 Pfennig)
  - ich habe mich, obwohl ich allein geradelt bin, im Baltikum und in
    Polen stets recht sicher gefuehlt (ich habe auch von keinem Radler
    gehoert, der ausgeraubt wurde -- ich habe dort insgesamt ca. 30 Radler
    getroffen)
  - die schoensten Orte: Silkeborg (DK), Saerna (S), Aland, Somero (FIN),
         Pirita (EST), Jurmala (LV), Trakai (LIT), Augustow (PL)
         und Berlin (is ja auch ne Reise wert)
  - Aland = Radlerparadies (ausgearbeitete Radrundwege, viele Strecken,
     wenig Autos, Fahrradfaehren, 12 Campingplaetze auf wenigen Quadrat-km,
     wilde Erd- und Blaubeeren !)

Hamburg, Schleswig-Holstein

HAMBURG:  Ich bin am Hauptbahnhof gestartet und habe mich bis zur Aussenalster
--------  durchgefragt. Auf deren westlicher Seite bin ich gen Norden geradelt.
          Direkt an der Alster gibt es laut BVA-Karte zwar einen Radweg, aber
        der ist nicht durchgehend ausgeschildert, teilweise recht schmal und
        unter einer Bruecke musste das Rad auch mal ueber 2 Treppen getragen
        werden. Nach ca. 2 Stunden hatte ich die Grossstadt dann hinter mir.
        Aber es dauerte noch laenger bis der Verkehr nachliess. Meine Strecke
        aus Hamburg heraus fuehrte ueber Poppenbuettel, Duvenstedt und Tang-
        stedt.


SCHLESWIG-HOLSTEIN:  Ich wollte moeglichst schnell nach Daenemark und hatte mir
-------------------  daher auf der BVA-Karte ruhige, geteerte Wege im Landes-
                     inneren ausgesucht (in der Hoffnung auf wenig Wind und
        wenig Verkehr). Hier fuehrte meine Strecke ueber Henstedt-Ulzburg,
        Kisdorf, Kaltenkirchen und Lentfoehrden zum ersten Campingplatz in
        Weddelbrook. Von dort ging es weiter ueber Kellinghusen, Hohenlockstedt,
        Peissen, Reher, Puls, Seefeld, Gokels, Luetjenwestedt, Oldenbuettel,
        Wrohm, Dellstedt, Pahlen, Erfde, Meggerdorf, Doerpstedt,
        Hollingstedt, Sollerup, Joerl, Lindewitt, Nordhackstedt, Schafflund,
        Medelby, Weesby, Boegelhuus und Nordmark zur deutsch-daenischen
        Grenze.
           Auf dem Campingplatz in Weddelbrook (bei Bad Bramstedt) hatte ich
        mein Zelt so gestellt, dass es am naechsten Morgen im Schatten stand
        und der Tau nicht trocknete. Das lehrte mich bei jeder Ankunft auf
        einem Zeltplatz erstmal den Kompass zu Rate zu ziehen und nach einem
        Platz Ausschau zu halten, der gen Osten frei ist.
           Besonders schoen empfand ich das Teilstueck kurz vor und kurz hinter
        dem Nord-Ostsee-Kanal bei Oldenbuettel (Schormoor und Dellstedter
        Moor), den ich gegen Mittag ueberquerte. Hier gibt es auch schoene
        abgelegene Bademoeglichkeiten (insbesondere an der Eider; bei dem hoch-
        sommerlichen Wetter haette ich sie wohl auch besser genutzt).
           In Treia habe ich die ersten beiden der vielleicht insgesamt 50
        Stoerche auf meiner Tour gesichtet. Dort waren sie mir noch ein Foto
        wert.
           Zum Baden hat mich auch die Treene bei Treia (3 km NW von Silber-
        stedt) eingeladen (scheint ein Geheimtip zu sein). Schade, dass ich
        nicht mehr Zeit hatte. Ansonsten bot Schleswig-Holstein viel Landwirt-
        schaft, viele Windraeder und ein paar sanfte Huegel.
           Ich hatte mich etwas mit der Entfernung von Hamburg bis zur daeni-
        schen Grenze verschaetzt. Und ich wollte am zweiten Abend in Daenemark
        sein. Daher und aufgrund dessen, dass der von mir angepeilte Grenz-
        uebertritt bei Boegelhuus verboten war (Umweg ueber Nordmark nach Rens,
        ca. 10km), kamen am zweiten Tag 206 km zusammen.

Daenemark: Juetland

Halloechen. Weiter gehts mit Teil 3. Der etwas seltsame Zeilenumbruch
kommt durch ein mailnews-Programm zustande, das ich benutze (mein
news-reader ist so ne primitive DOSe, die ueberhaupt nicht richtig will).


JUETLAND:  Jylland habe ich aus zwei Gruenden ziemlich in der Mitte durchquert:
---------  erstens wollte ich starkem Wind aus dem Wege gehen und zweitens dem
           starken Verkehr. Dafuer erntete ich die juetlaendische, schweiss-
        treibende Huegellandschaft. Die Strecke hatte ich mir mit Hilfe der
        1:200.000er Strassenkarte ausgesucht. Ich fuhr im wesentlichen auf den
        kleinsten, eingezeichneten Strassen und moeglichst geradewegs gen
        Norden (wie bereits in Schleswig-Holstein).
           Die Verpflegungsseite war in Daenemark optimal: hier gab es den
        leckersten Kuchen der ganzen Tour, die Baecker hatten selbst sonntags
        (bis 16.00 h) offen und es gab das Tuborg Bitter Lemon, das nicht so
        sauer ist wie das deutsche Bitter Lemon und nicht so suess, dass es den
        Durst nicht loescht, genau das richtige fuer das Hochsommerwetter mit
        Temperaturen ueber 30 Grad.
           Nach dem missglueckten Versuch bei Boegelhuus die Grenze nach Daene-
        mark zu ueberqueren, bin ich zum Grenzuebergang bei Rens geradelt. Da
        der naechste Campingplatz in Tonder nicht ganz in meiner Zielrichtung
        lag, habe ich mich dann fuer den etwa doppelt soweit von der Grenze
        entfernten Campingplatz in Arrild entschieden.
           Auf dem Weg dahin fuhr ich durch Logumkloster, das aufgrund seiner
        kirchlichen Bauwerke bekannt ist. Ich kam aufgrund der langen Tages-
        etappe (206 km) erst um 21.30 h in Arrild an. Auf dem grossen, ver-
        winkelten Campingplatz habe ich keine anderen Radler und keine Lands-
        leute bemerkt.
           Bereits am naechsten Tag machte ich Bekanntschaft mit dem nicht
        hohen, aber stark huegeligen Inland von Juetland. Bemerkenswert war der
        Ort Gram mit dem Schloss Gram Slot und ausgestelltem Walskelett.
           Bei dem Hochsommerwetter waren auf dem Lande sehr viele Bewaessse-
        rungsanlagen in Betrieb (mechanisch betriebene Spritzen die ganze
        Felder im Umkreis von 50...100 Metern nass spritzten). Ab und zu
        spritzten die Anlagen bis zur Strasse und ich konnte dann eine will-
        kommene Abkuehlung erfahren.
           Bei Velje kam von hinten ein Reiseradler in schnellem Tempo heran.
        Es war ein Belgier, dem ich mein Leid von den daenischen Huegeln
        erzaehlte, worauf er mir erwiderte, er sei am Nordkap gewesen und dies
        hier sei noch gar nichts gegenueber Norwegen. Als ich ihn dann darauf
        aufmerksam machte, dass er gerade Richtung Norden radelt, meinte er,
        er wolle nach Billund (vermutlich zum Legoland) und es waere hier
        alles besch...en ausgeschildert. Soweit zur ersten Begegnung mit
        meinesgleichen.
           Sehr schoen gefiel mir der See Farup So bei Jelling. Bei dem Hoch-
        sommerwetter haette man es dort sicherlich ein paar Tage aushalten
        koennen. Aber ich wollte schnell weiter. Dort war es zudem auch mal
        wieder besonders huegelig.
           Abends kam ich in Silkeborg an. Bereits kurz vor Silkeborg kommt man
        an wunderschoen gelegenen Badestraenden des Sees Brasso vorbei. In
        Silkeborg lagen viele Ausflugsboote vor Anker. Ein idyllisches kleines
        Staedtchen. Bestimmt auch ein paar Tage Aufenthalt wert. Der Camping-
        platz Silkeborg So lag ca. 2 km oestlich vom Zentrum am Silkeborg
        Langso. Hier benoetigte ich, anders als in Arrild einen daenischen
        Campingausweis, den ich dann fuer 24 DKr (ca. 6 DM) bekam. Hier traf
        ich ein reiseradelndes Paar aus der Naehe von Emmen (NL), die von
        zuhause losgeradelt waren. Der Campingplatz liegt direkt am See und man
        kann dort auch Kanus mieten.
           Am naechsten Morgen war das Seidenhemd, das ich zum Trocknen auf
        mein Fahrrad gelegt hatte, nicht mehr da. Das war das einzige Mal auf
        der ganzen Tour, das mir etwas abhanden gekommen ist.
           Weiter ging es durch das huegelige Juetland ueber Resenbro und
        Bjerringbro nach Hobro, wo ich mit dem Mariagerfjord das erste Mal in
        Kontakt mit der Ostsee kam. Kurz vor Hobro in Sonder Onsild hatte ich
        ein aelteres, daenisches Paar getroffen, die in Kopenhagen losgeradelt
        waren. Obwohl sie aus Hobro stammte, konnte ich ihnen noch eine
        Abkuerzung ueber Norre Onsild nach Hobro zeigen. Eine gute Karte ist
        was wert (wenn ich da blos an die Brandenburger BVA-Karte denke, aber
        das kommt spaeter).
           In Hobro war ich das ewige Auf und Ab Leid und bin dann in nordoest-
        licher Richtung auf Hals zugefahren, wo ich mit der Faehre ueber den
        Langerak, den oestlichen Zufluss zum Limfjord, uebersetzen musste.
        Hier stiess ich auf den puren Tourismus: Campingplatz an Campingplatz,


        Radwege gefuellt mit Radlern, die nicht nach vorn schauen,
        Souvenirlaeden etc. Der groesste Teil der hier fahrenden PKW hatte
        Kennzeichen aus den neuen Bundeslaendern.
           Nach 20 weiteren Kilometern stellte ich an einer Informationstafel
        fest, dass es den in der Skandinavien-Karte in Saeby eingezeichneten
        Campingplatz wohl nicht mehr gibt und ich am besten 4 km zurueck zum
        Campingplatz in Asaa radle. Dort konnte ich schon direkt einen Platz
        auf der Faehre von Frederikshavn nach Moss reservieren. Hier traf ich
        Roland und Elke aus Essen, die den daenischen, ausgeschilderten
        Radrouten folgten. Was sie mir davon berichteten (viele sandige Wege,
        die stellenweise nicht einmal mit breiten Reifen befahrbar sind),
        nahmen mir die Befuerchtung, durch Nichtbefahren dieser Routen etwas
        verpasst zu haben. Zwei Tips habe ich von den beiden bekommen: erstens
        kann man die Zeltleinen am Fahrrad verspannen (dadurch hat man einer-
        seits eine Waescheleine und anderseits bekommt man dadurch evtl. mit,
        wenn sich nachts jemand am Fahrrad zu schaffen macht); zweitens Flusen-
        handtuecher statt Frotteehandtuecher verwenden, weil erstere wesentlich
        schneller trocknen.
           Von Asaa waren es nur noch etwa 30 km bis Frederikshavn. Dort
        versorgte ich mich noch mit reichlich Kuchen und Getraenken fuer die
        Fahrfahrt. Auch Ersatzspeichen besorgte ich mir dort noch, da ich jene
        zuhause vergessen hatte (eine davon kam dann ja schliesslich noch in
        Berlin zum Einsatz).
           Um 17.00 h legte dann endlich die Faehre nach Moss ab. Die Motor-
        und Fahrraeder wurden in drei Parkbuchten auf der Faehre untergebracht.
        Die Faehrfahrt (eine Person, eine Richtung, ein Fahrrad) kostete 250
        DKr (ca. 62 DM). Bis ca. 21.00 h konnte ich es auf dem Achterdeck aus-
        halten. Dann wurde es mir doch zu kuehl.

Norwegen

)
NORWEGEN:  Ich hatte urspruenglich geplant die suedliche Kueste Norwegens
---------  von Kristiansand bis Oslo abzuradeln. Aber ich hatte nicht genug
           Zeit dafuer, da ich einerseits meine Promotionspruefung erst
        eine Woche vor dem Start hatte und Wolfgang, den ich in den schwedi-
        schen Bergen in Naesfjaellsasen besuchen wollte, nur noch bis zum 31.
        Juli dort blieb. Daher hatte ich mich entschieden, mit der Faehre nach
        Moss zu fahren, von dort zum Fluss Glomma und daran entlang ca. 300 km
        stromaufwaerts bis Elverum zu radeln und dann gen Osten in die Berge
        nach Schweden abzubiegen.
           Die Faehre aus Frederikshavn kam um Mitternacht in Moss an. Die Aus-
        fahrt war eine kitzlige Angelegenheit: man fuhr in ca. 12 Meter Hoehe
        aus der Faehre heraus auf einen Anleger, der aus grobmaschigen Rosten
        bestand. Beim Blick nach unten konnte einem mulmig werden.
           Zwei Campingplaetze hatte ich zur Auswahl: einen 9 km gen Sueden und
        den anderen 6 km gen Nordwesten auf die Moss vorgelagerte Insel Jeloey.
        Beides lag nicht in meiner Zielrichtung. Obwohl nach meiner Karte die
        Strecke nach Nes auf Jeloey huegeliger aussah, entschied ich mich fuer
        diesen Campingplatz (auf der Faehre hatte ihn mir auch ein Norweger
        empfohlen). Als ich nach ca. 30 min Nachtradelei dort ankam, schien
        niemand da zu sein. Kurz spaeter kam jedoch noch ein Wohnmobil von der
        Faehre dort an. Daraufhin erschien dann doch noch ein Platzwart, der
        uns einwies. Mit den Wohnmobilisten aus Neumuenster habe ich dann noch
        um halb zwei einen Rotwein getrunken, der einen so richtig muede
        machte. Wie ich dann am naechsten Tag die 185 km nach Kongsvinger
        geschafft habe, bleibt mir ein Raetsel.
           Zunaechst musste ich aus Moss rauskommen. Das ist gar nicht so ein-
        fach, denn eigentlich hatte ich ein paar km auf der Hauptstrasse nach
        Oslo eingeplant. Aber die war fuer Radfahrer gesperrt. Und keinerlei
        Hinweise wie Radfahrer nach Valer kommen sollten. Und das am fruehen
        Morgen ! Nach einer halbstuendigen Irrfahrt war ich schliesslich auf
        dem richtigen Weg.
           Das erste Elch-Warnschild liess dann auch nicht lange auf sich
        warten (ob es in Skandinavien ueberhaupt Elche gibt ? ich hab keinen
        gesehen).
           Der Weg zum Oyeren-See ueber Ringvoll und Tomter erwies sich als
        huegelig, obwohl es nie ueber 300 oder 400 m ging. Direkt am Oyeren
        wurde es am schlimmsten. Den See habe ich noerdliech ueber Lillestroem
        umfahren, wo man schon die Auswirkungen von Oslo's Autoverkehr mitbe-
        kommt. Dann war ich endlich am Glomma. Aber flach wurde es dadurch
        immer noch nicht. Erst ca. 50 km stromaufwaerts ab Arnes war es flach.
        Aber dafuer bis Elverum !
           Am Glomma war gerade Erdbeer-Erntezeit und dementsprechend lag oft
        der Duft in der Luft. Am spaeten Nachmittag ist mir der vordere Schalt-
        zug angerissen. Vorsichtshalber habe ich dann vorn nicht mehr geschal-
        tet - dabei war es doch jetzt endlich flach.
           In Skarnes habe ich nach ca. 150 km um kurz vor 19 Uhr noch
        in einem Supermarkt einkaufen und damit das Abendessen sichern koennen.
        Der naechste Campingplatz lag 8 km in der falschen Richtung, so dass
        ich mich entschied bis nach Kongsvinger (ca. 30 km) weiterzuradeln.
        Aber der dortige Campingplatz lag dann auch 7 km abseits von meiner
        Route. Ueberraschenderweise traf ich hier weder andere Radler noch
        andere Deutsche.
           Am naechsten Morgen wechselte ich den Schaltzug und besorgte mir
        in Kongsvinger zwei neue Reservezuege. Kurz hinter Kongsvinger erwisch-
        ten mich die ersten Regentropfen. Aber der Nieselregen hielt nur zwei
        Minuten an. Bis zu den Aland-Inseln sollte es trocken bleiben. Zwischen
        Kongsvinger und Elverum habe ich die kleinere der beiden Strassen ge-
        nommen (Westseite). Elverum erreichte ich nach etwa 100 km am fruehen
        Nachmittag. Dort warf ich einen Blick in das Norwegische Forstwirt-
        schaftsmuseum.
           Beim Tourismusbuero in Elverum erfuhr ich, dass es kurz vor Nyberg-
        sund einen Campingplatz gibt. Dorthin waren es noch 60 bergige Kilo-
        meter mit einigen langen Anstiegen. Aber nach etwa 4 Stunden hatte ich
        auch die hinter mich gebracht. Auf dem Campingplatz, der hinter einem
        Strassenrestaurant liegt, waren ausser mir nur noch zwei schwedische
        Familien. Hier blieb es erstaunlich lange hell. Um 23.30 h hatte ich
        noch keine Probleme im geschlossenem Zelt zu lesen.
          In Nybergsund ueberquerte ich den Trysilselva, der weiter flussab-
        waerts in Schweden Klaraelven heisst. Von dort ging es ca. 5 km und
        400 Hoehenmeter bergauf, was aber mit einer schoenen Aussicht belohnt
        wurde. Auch auf den letzten 50 km bis zur norwegisch-schwedischen
        Grenze habe ich keine anderen Reiseradler getroffen. Die Grenze selbst
        bestand aus einem Gedenkstein, einem gelb angepinselten Steinhaufen und
        zwei Tafeln fuer Autofahrer (kein Mensch weit und breit).

Schweden

SCHWEDEN:  In Schweden habe ich den kuerzesten Weg zwischen Naesfjaellsasen
---------  an der norwegisch-schwedischen Grenze bei Saerna und dem Faehrhafen
           Grisslehamn genommen. Grisslehamn ist der den Aland-Inseln naechst-
        gelegenen schwedische Faehrhafen. Ich dachte, es waeren ca. 350 km und
        zur Kueste hin flach. So erlegte ich mir das Ziel auf, die Strecke in
        drei Tagen zu bewaeltigen. Es stellte sich jedoch heraus, dass es 480
        km sind und es bis zur Kueste huegelig ist. So wurden die drei Tage
        doch etwas anstrengender als erwartet.
          Die Strecke fuehrte somit ueber Asen, Aelvdalen, Mora, Leksand,
        Falun, Hofors, Storvik, Arsunda, Soederfors, Tierp, Oesterbybruk,
        Hallstavik nach Grisslehamn.
          Nachdem ich die Grenze zwischen bei Grundforsen (zwischen Oestby und
        Fulunaes) ueberquert hatte, habe ich vergessen gleich in Grundforsen
        Geld zu tauschen. Der naechste Ort Fulunaes bestand dann nur aus drei
        Huetten. Und im darauffolgenden Soersjoen hatten alle Geschaefte wegen
        Mittagsruhe geschlossen.
           Da habe ich mich dann auf den Weg nach Nasfjaellsasen gemacht. Das
        ist eine Ansammlung von Huetten in einem Wintersportgebiet etwa 8 km
        westlich von Soersjoen auf etwa 800 m Hoehe. Diese 10 km waren wohl die
        anstengendsten der ganzen Tour: erstens bestand der Weg aus Schotter,
        zweitens war der Schotter von Schneeraupen so festgefahren, dass eine
        panzerspuraehnliche Querriffelung eingepraegt wurde und drittens ging
        es auf diesen 10 km ca. 500 Hoehenmeter bergauf. Trotz Untersetzung und
        Imsattelsitzenbleiben bin ich oefters durchgerutscht. Das zehrte so an
        den Kraeften, das ich in der 3/4 Stunde mehr Pausen machen musste, als
        in den 4 Stunden vorher. Gluecklicherweise schlug ich 2 km vor dem Ziel
        die richtige Richtung ein, obwohl auf dem dortigen Wegschild nur etwas
        von Naesfjaellstuga und Naesfjaellet aber nichts von Naesfjaellsasen
        stand.
           In Naesfjaellsasen habe ich dann Wolfgang, seine Freundin Sandra,
        ihren Bruder Gerald und dessen Freund Markus besucht. Sie waren
        bereits ueber zwei Wochen dort und verbrachten ihren Urlaub in einer
        dieser komfortabel eingerichteten Winterhuetten. Einziges Manko daran
        war, dass sie fuer den Sommer keine Moskitonetze vor den Fenstern
        hatten und abends alles verriegelt werden musste.
           Da die vier am uebernaechsten Tag nach meiner Ankunft abreisen
        mussten, blieb ich nur zwei Naechte dort. Aber zur Erholung reichte es


        allemal. Ich konnte essen ohne Ende und mich entspannen. Am freien Tag
        sind wir zum Fjatfallen, einem Wasserfall kurz vor der Muendung des
        Fjaetaelven in den Oesterdalaelven, 2-3 km oestlich von Saerna,
        gefahren. Dieser erstreckt sich ueber mehrere Stufen ueber etwa
        50 Meter Laenge und 30-40 Meter Breite mit Strudeln und Wannen
        und kleineren Faellen. Aber das Beste daran war eigentlich die
        Wassertemperatur. Das hochsommerliche Wetter hatte das Wasser auf
        etwa 20 Grad aufgeheizt ! Genau das richtige um einen Nachmittag
        drin zu planschen.
           Am Tag drauf war grosser Aufbruch, da Wolfgang, Sandra, Gerald und
        Markus abends die Faehre von Oslo nach Kiel erreichen mussten. Ich
        setzte mir als Tagesziel den Siljan-See.
           Auf den ersten 50 km durch Soersjoen, Nornaes, Lovnaes nach
        Hallstugan konnte ich noch einmal die mittelschwedische Gebirgsvegeta-
        tion geniessen: bemooste Steine, niedrig geratene Nadelbaeume und auch
        Sumpflandschaft. Nach Hallstugan gabs eine erfrischende Abfahrt von
        ca. 6-8 km Laenge.
           Kurz vor Aelvdalen hatte ich mich noch gefreut gut im Zeitplan zu
        liegen, mitten in Aelvdalen gabs dann den ersten von drei Platten
        auf der Tour. Hier hat mich der Schlauchwechsel noch fast 60 Minuten
        gekostet, da ich mit den zwei Unterlegscheiben auf der Zahnkranzseite
        durcheinanderkam (gehoerten sie beide nach innen oder nicht).
           Unerwartet huegelig war dann auch die Strecke am Oesterdalaelven
        entlang von Hallstugan ueber Aelvdalen bis nach Mora am Siljan-See.
        Nach dem Ruhetag (vollster Magen), dem Platten und den Bergen hatte ich
        dann nach 135 km keine Lust mehr und kehrte auf dem Campingplatz in
        Solleroen, einer Insel im Siljan-See, ein. Hier konnte man mal wieder
        herrlich baden. Hier traf ich Andrea, eine alleinradelnde Studentin aus
        Muenster. Sie war in Trelleborg in Schweden gestartet und war in ge-
        muetlicheren Etappen soweit nach Norden gelangt. Mit einem Pluesch-Elch
        vor der Lenkertasche hat sie die Elche hervorgelockt, die ich nie zu
        Gesicht bekam. Schade, dass sie in Gegenrichtung unterwegs war. Ueber
        einen Radelpartner und sei es nur fuer einen halben Tag haette ich
        mich gefreut.
           Am naechsten Morgen traf ich nach 20 km ein radelndes Paar aus
        Oesterreich, die mit dem Wohnmobil angereist waren, dass sie irgendwo
        stehen gelassen hatten (sie wollten den Siljan umrunden).
           Auf einer verkehrsarmen, als geteert eingezeichneten Route (von
        Insjoen ueber Rexbo nach Smedsbo) wollte ich von Leksand nach Falun ge-
        langen. Die Strecke war sogar mit dem Radwegweiser Sverigeleden ver-
        sehen. Aber die Strecke stellte sich als Schotterstrecke heraus (an
        einigen Stellen schimmerte noch Teer durch, aber der muss wohl vor 50
        Jahren gelegt worden sein). Das einzig positive an dieser Strecke waren
        zwei schoene Seen, die zum Baden einluden. Die Autos schienen hier mit
        ungeheuerlichen Geschwindigkeiten zu fahren: Steine flogen durch die
        Luft und Staub wurde hochgewirbelt.
           Aus den Bergen fuhr ich nach Falun hinunter, das am nordwestlichen
        Ende vom Runn-See liegt. Ueber der Stadt ragen zwei riesig wirkende
        Skisprungschanzen in die Luft. In der hochsommerlichen Hitze hatte
        Falun aber nicht viel zu bieten. Gluecklicherweise fand ich an diesem
        Sonntag einen offenen Supermarkt und konnte mal wieder meine Trinkfla-
        schen auffuellen. Aus Falun war es schwierig herauszukommen, da aehn-
        lich wie in Moss in Norwegen auf der Hauptstrasse das Radeln verboten
        war, und die Radwege weit entfernt von diesen Strassen und ohne
        Beschilderung gefuehrt wurden.
           Nach dem Drama mit der Schotterstrecke vor Falun hatte ich genug von
        den als geteert gekennzeichneten Nebenstrecken und bin auf der Haupt-
        strasse weiter nach Hofors und Storvik gefahren. Unterwegs ist mir eine
        schwedische Familie auf zwei vollbepackten Tandems entgegengekommen.
           Einige km hinter Falun bekam ich das erste Mal seit Elverum wieder
        groessere landwirtschaftlich genutzte Flaechen zu sehen. Ich hatte also
        das Hochland verlassen. In Storvik kurz vor Sandviken bin ich dann
        rechts abgebogen, um zum Campingplatz in Arsunda am Storsjoen-See zu
        gelangen. Hier roch es im Wald sehr fruchtig, aber statt herauszufinden
        was es war, war mein Interesse groesser endlich den Campingplatz zu er-
        reichen, denn ich hatte schon ueber 150 km in den Beinen und der Abend
        naeherte sich.
           Auf dem Campingplatz waren keine anderen Radler, ein autofahrendes
        Paar aus Thueringen war im Zelt gegenueber. Auch dieser See war ein
        ausgiebiges, erfrischendes Bad wert und danach konnte ich noch einen
        bezaubernden Sonnenuntergang ueber dem See fotografieren.
           Auf der dritten Etappe in Schweden hatte ich mich mal wieder mit der
        Entfernung verschaetzt: statt der erwarteten ca. 125 km waren es 174 km
        (warum hat die Karte auch in der Mitte der Etappe eine Faltung ?). Und
        anstatt, dass es flacher wurde, blieb es so huegelig. Um auf kuerzestem
        Weg nach Grisslehamn zu kommen, musste ich wieder auf kleiners Strassen
        ausweichen, die aber gluecklicherweise alle in gutem Zustand waren. In
        der Mittagszeit kam ich bei Soederfors ueber den Dalaelven, der hier
        eine Breite von mehreren hundert Metern hat und sich in zahlreichen
        Seitenarmen veraestelt, auf denen man sehr schoen Kanu fahren kann.
           Nach etlichen weiteren Doerfen und hier inzwischen viel Landwirt-
        schaft erwischte mich bei Pettbol ca. 30 km vor dem Tagesziel in Bergby
        der zweite Platten. Da ich bereits 150 km intus hatte und es schon kurz
        vor 19 Uhr war, habe ich mich mit mehrfachen Nachpumpen bis Bergby
        durchgeschlagen. Alle 3 bis 4 km war Pumpen angesagt, insgesamt ca. 10
        mal. Bei dem Schlauchwechsel am naechsten Morgen stellte ich dann fest,
        dass das Loch an einem Flicken war - ich hatte also den Schlauch, den
        ich in Aelvdalen eingesetzt hatte, nicht richtig geflickt.
           Kurz vor Bergby in Haeveroe habe ich mich an der Tankstelle mit
        reichlich Schokolade versorgt, damit ich die auf dieser Tagesetappe
        verbrauchte Energie mir wieder anessen konnte.
           Da auf dem Campingplatz und an der Rezeption im benachbarten Hotel
        niemand da war, liess ich mich einfach irgendwo auf dem Campingplatz
        nieder. Hier waren nur schwedische Wohnwagen und selbst mit Englisch
        haperte hier die Kontaktaufnahme.
           Am naechsten Morgen ging es nach ca. 5 km mit der Faehre ueber den
        Ortalaviken zur Insel Vaeddoe. Nach weiteren ca. 10 km war ich endlich
        in Grisslehamn. Praktischerweise fuhr die naechste Faehre zu den Aland-
        Inseln ca. 30 Minuten nach meiner Ankunft. Sie faehrt im Sommer
        fuenfmal am Tag und kostete mich ca. 10 DM. Das Rad musste ich hier
        mittschiffs neben den Autos an der Aussenwand abstellen.

Aland, Finnland

ALAND-INSELN:  Ich erreichte die Aland-Inseln nach zweistuendiger Ueberfahrt,
-------------  obwohl im Infoblatt der Reederei stand, dass die Faehre um 11.30
        ablegt und erst um 14.30 ankommt. Den Grund fuer diese Unstimmigkeit
        fand ich aber erst einen Tag spaeter heraus: Aland gehoert zu Finnland
        und ist eine Stunde weiter als Schweden.
           Nachdem ich mich mit finnischem Geld und Essen versorgt hatte,
        habe ich mich auf dem Weg zum Campingplatz gemacht. Dort waren
        gerade zwei finnische Maedchen per Rad angekommen, aber sie waren
        nicht sehr kontaktfreudig. Wie ich naemlich danach feststellte wimmelte
        es hier nur so von Radfahrern: Jugendliche aus Stockholm und aus Finn-
        land. Aland ist ein Radlerparadies, hier fallen im Sommer Unmengen von
        Radlern ein. Und bei solch einer Haeufung spricht man eben nicht mehr
        miteinander.
           Na, dann habe ich mein Zelt erst mal aufgebaut und bin das erste
        Mal auf dieser Tour in der Ostsee baden gegangen. Abends habe ich noch
        mit zwei Schwedinnen aus Soedertaelje geplaudert. Sie erzaehlten mir
        von der Moeglichkeit mit Fahrradfaehren Rundtouren zu fahren.
           Den naechsten Tag wollte ich ruhig angehen lassen und wollte eine
        Rundtour mit Fahrradfaehre durch den Nordwesten der Hauptinsel und die
        Mitte Alands bis nach Mariehamn unternehmen. Unterwegs fielen mir die
        vielen Radwegweiser auf. Und dann roch es im Wald wieder so fruchtig
        wie bereits zwei Tage vorher in Schweden. Diesmal habe ich angehalten
        und nach der Ursache geforscht: es waren reife Walderbeeren und Blau-
        beeren, mit denen ich mir dann den Magen vollschlug.
           Kurz danach kam ich an einer alten russischen Befestigung vorbei,
        die die Russen im 1.Weltkrieg zur Verteidigung vor deutschen Angriffen
        angelegt hatten. Am Fahrradfaehrhafen in Skarpnato angekommen, stellte
        ich fest, dass die naechste Faehre nach Finnoe erst in drei Stunden ab-
        legte. Da ich zu dem Zeitpunkt schon in Mariehamn sein wollte, fuhr ich
        die letzten 15 km zurueck. Dort erwischte mich dann der erste Regen-
        schauer der Tour: nach 10 Minuten war ich patschnass, aber eine halbe
        Stunde spaeter schon wieder vom neuen Sonnenschein getrocknet.
           Mariehamn, der Hauptort Alands ist ein huebsches kleines Staedtchen
        auf einer Landzunge, die gerade mal 2 km breit ist (Einwohnerzahl ca.
        10.000). Beim Postamt besorgte ich mir ein paar alaendische Briefmarken
        und bin dann zum Campingplatz geradelt. Der war wiederum proppevoll mit
        schwedischen und finnischen Jugendlichen. Ein finnisches, radelndes
        Paar klagte mir dort ihr Leid, dass sie hier mit ihrem Finnisch
        nicht verstanden wuerden, weil die Alaender Schwedisch sprechen.
           Am naechsten Morgen bin ich noch durch Mariehamn getourt und habe
        mir das Staedtchen noch angeschaut und einige Fotos geschossen.
        Mittags bin ich dann zum Faehrhafen, um die Faehre nach Naantali zu
        nehmen, das hier als Nadendal (Schwedisch) bezeichnet wurde.
           Die Ueberfahrt kostete ca. 30 DM, dauerte ca. 6 Stunden und war eine
        nicht enden wollende Kurverei zwischen Hunderten kleiner Inselchen. Auf
        dem Achterdeck habe ich mir einen Sonnenbrand auf dem Bauch geholt.


FINNLAND:  In Naantali auf dem Campingplatz habe ich dann Holger aus Bremen ge-
---------  troffen, der ebenfalls auf der Faehre war. Er war morgens in
           Kapellskaer(Schweden) eingestiegen, hatte sein Rad am anderen Ende
        der Faehre stehen gehabt und sich den ganzen Nachmittag am kalten
        Buffet festgehalten. Holger hatte seine Promotionspruefung nur ein paar
        Tage vor mir gehabt, in Geschichte in Bremen. Wir schlugen unsere Zelte
        gegenueberliegend auf und erzaehlten uns bei Tee unseren bisherigen
        Raderlebnisse.
           Am naechsten Morgen sind wir gemeinsam nach Turku (Schwedisch: Abo)
        geradelt (ca. 20 km) und haben nach viel Suchen auch das Stadtzentrum
        gefunden (die Hauptstrasse war mal wieder fuer Raeder gesperrt - wie
        bereits in Moss und Falun. Dort war gerade eine Art Kirchentag und
        recht viel los. Mittags haben wir uns dann dort getrennt, weil Holger
        auf dem direkten Weg nach Helsinki wollte und ich etwas weiter in das
        Landesinnere fahren wollte.
           Bis nach Somero und nach Hovikari zum Campingplatz bot die Land-
        schaft nicht viel Neues: Wald, viel Landwirtschaft, ein schoener Fluss,
        sanfte Huegel. Abends am Campingplatz war ich allein. Der Campingplatz
        lag an einem Steilhang am Painio-See, der gerade die richtige Tempera-
        tur zum ausgiebigen Baden hatte.
           Am naechsten Morgen ging es weiter Richtung Helsinki. Die Strecke
        erwies sich als unerwartet huegelig (so wie bereits Mitte Jylland und
        die schwedische Kueste). Ab ca. 30 km vor Helsinki kam ich an vielen
        Seen vorbei, die von den Helsinkiern als Badeseen genutzt wurden; ein
        Stueck weiter begann ein breiter Radweg neben der Strasse und kurz
        darauf als ich einen Radler ueberholen wollte, sprach er mich an: Risto
        aus Helsinki lud mich zu einem Bier ein, zeigte mir einen preiswerten
        Supermarkt, der samstagnachmittags offen hatte, seine Stammkneipe, die
        Helsinkier Innenstadt, den Faehrterminal im South Harbour (wo wir
        erfuhren, dass ich das Visum fuer das Baltikum in Tallinn im Hafen fuer
        150 Finnmark, etwa 50 DM, bekommen kann) und dann hat er mich noch zu
        dem schwer zu findenden Campingplatz in Rastila ca. 9 km oestlich vom
        Hafen gefuehrt.
           Auf dem Campingplatz habe ich einige Radler getroffen: Bernd aus
        Berlin, der bereits durch Polen und das Baltikum geradelt war und mir
        mitteilte, dass ich mir keine Befuerchtungen wegen Kriminalitaet
        machen muesste (Radfahrer wuerden nicht ausgeraubt) und mich zu sich
        nach Berlin einlud. Eine Braunschweiger Alleinradlerin um die 55, die
        gerade mit dem Finnjet angekommen war und zum Nordkap wollte. Sie er-
        zaehlte, vor 5 Jahren haette sie die Kinder aus dem Haus gehabt und
        haette dann erstmal studiert. Nachdem sie das beendet hatte, wollte sie
        nun die weite Welt sehen. Da ihr Mann schwerbehindert sei, muesste sie
        alleine radeln. Da sie wie eine typische Hausfrau und Mutter aussah,
        hatte ich die Befuerchtung, dass sie nach 20 km entkraeftet vom Rad
        steigt. Aber weit gefehlt: da erzaehlte sie, dass sie letztes Jahr 6
        Wochen mit dem Rad in Island war. Dort sei es richtig schoen gewesen.
        Gestoert haetten nur die jungen deutschen Radler, die gleich beim
        ersten Schneetreiben in die nur fuer Notfaelle gedachten Notunter-
        kuenfte aufsuchten.
           Am Sonntagmorgen habe ich mich beeilt und habe sogar die erste
        Faehre um 10 Uhr nach Tallinn erwischt. Die kostete umgerechnet etwa
        40 DM.

Baltikum

ESTLAND:  Nach etwa 4 Stunden Faehrfahrt erreichte ich am sonnigen Sonntag-
--------  nachmittag Tallinn (ich war der einzige Radler an Bord). Im
          Tallinner Hafen habe ich mir das Visum besorgt; dazu musste ich
        gleich mein Fahrrad samt Gepaeck unbeaufsichtigt vor dem Abfertigungs-
        gebaeude stehen lassen (da habe ich doch etwas ums Rad und Gepaeck
        gebangt - aber es ist nichts abhanden gekommen).
           Mit dem 1:300.000er Stadtplan war die Orientierung in Tallinn nicht
        ganz so einfach, aber trotzdem war ich nach einer Viertelstunde in der
        Talliner Altstadt. Die war sehr schoen erhalten. Sie gefiel mir besser
        als spaeter die Altstaedte von Riga und Vilnius. Hier habe ich erstmal
        einen Reisefuehrer fuer das Baltikum fuer umgerechnet 7 DM erstanden,
        der sprachlich zwar ziemlich daneben war (z.B. Wort-fuer-Wort-Ueber-
        setzungen ohne Ruecksicht auf Grammatik), aber sehr informativ (Innen-
        stadtplaene und Hotels, Land und Leute).
           Nach dreistuendiger Altstadtberadelung habe ich mich auf dem Weg zum
        Campingplatz in Pirita gemacht. Es ging am Strand entlang (auf dem
        einzigen Radweg, den ich im Baltikum gesehen habe), von dort hatte man
        stellenweise einen guten Blick auf den Tallinner Hafen. In Pirita
        war der Segelregattahafen der Olympiade in Moskau 1980. Von dort waren
        es noch 3 km zum Campingplatz, an dem ich zuerst vorbeigeradelt bin,
        weil er nicht direkt als solcher erkennbar ist - er ist direkt unter
        dem Tallinner Fernsehturm (dem einzigen Punkt, von dem man in Estland
        bei gutem Wetter das finnische Festland sehen koennen soll - bzw. aus
        der Kanzel, in der das Galaxy Restaurant untergebracht ist). Der
        Campingplatz war recht klein (100 mal 200m und mit vielen Huetten
        drauf. Im Westen von Tallinn soll es noch einen Campingplatz am Strand
        geben, aber der war auf meiner Karte nicht eingezeichnet. Fuer die
        sechs folgende Tage sollte das der einzige Ort bleiben, an dem ich
        heiss duschen konnte.
           Hier war eine interessante Atmosphaere: die wenigen, die da waren,
        sprachen alle miteinander und tauschten ihre Erfahrungen und Informati-
        onen aus. So konnte ich auf meiner Karte auch noch einige Camping-
        plaetze nachtragen. Ein Paar aus Sueddeutschland, das mit einen Bulli
        unterwegs war, war sogar auch dem Bernd, den ich in Helsinki auf
        dem Campingplatz getroffen hatte, auf der estnischen Insel Saaremaa
        begegnet. Kleine Welt hier. Hier ging es international zu: zwei Austra-
        lierinnen, ein paar Finnen, ein Franzose, aber in der Mehrheit doch
        Deutsche.
           Beim abendlichen Blick auf die Karte habe ich einen Schreck be-
        kommen: ich dachte, die naechste Tagesetappe bis zum See Voertsjaerv
        laege bei 150 km, aber bei genauem Hinsehen habe ich festgestellt, dass
        sie bei 200 km liegt. Daher bin ich am naechsten Morgen frueh aufge-
        standen und bereits um 9 Uhr losgeradelt.
           In Tallinn habe ich noch ein Marburger Paar getroffen, das gerade
        mit der Faehre aus Travemuende angekommen war und Richtung Narva in den
        Nationalpark radeln wollte.
           Im Stadtzentrum waren alle Hauptstrassen gesperrt. Wahrscheinlich
        mussten wohl ein paar hochrangige Staatsmaenner durch die Stadt gekurvt
        werden. Das war sehr gut, da hatte ich naemlich die leergefegten
        Strassen fuer mich allein (keine Autos, keine Strassenbahn, aber Radler
        durften). Nach einer halben Stunde war ich auf der Landstrasse, die
        nach Rapla fuehrte. Mir scheint, dies ist eine der wenig befahrensten
        Nord-Sued-Routen, die geteert sind. Die Strasse war gut geteert und
        wies keine Schlagloecher aber auch keine Fahrbahnmarkierungen auf. Der
        Fahrbahnrand war etwas arg ausgefranst (nicht gerade, variierte staen-
        dig um 20-50 cm).
           Nord- und Mittelestland stellten sich als flach wie Friesland
        heraus. Es war Hochsommerwetter und windstill. So schaffte ich die 68
        km bis Rapla problemlos in 3,5 Stunden. Hier habe ich mich in ein klei-
        nes Bistro gesetzt und mir 2 Stueckchen Kuchen und eine Cola gegoennt.
        Sofort sprach mich Urmas, der am Nachbartisch sass, an. Da er aber nur
        Estnisch konnte, war die Verstaendigung sehr schwierig. Mit Hilfe
        anderer konnte ich ihm dann klar machen, dass ich mit dem Rad aus
        Deutschland kam und dass ich, obwohl ich Deutscher bin, kein Bier
        trinke (da war er baff !). Kurz danach erschien Anu, die fuer die
        Lokalzeitung arbeitete und gleich einen Artikel schreiben wollte und
        mich dementsprechend ausfragte und dann auch noch einen Fotografen
        holte. Nach der etwas laenger als geplant geratenen Pause habe ich mich
        wieder auf den Weg gemacht.
           In Tueri (50 km hinter Rapla) habe ich an einem Kiosk meinen Pro-
        viant wieder aufgefuellt. Dort wurde ein Getraenk verkauft, das Kali
        hiess (sprich: Koli). Ein Glas davon kostete umgerechnet 6 Pfennige. Es
        schien aus gegaertem Getreidesaft hergestellt zu sein und schmeckte
        malzbieraehnlich. Ein paar Kindern, die dort sassen, habe ich noch ein
        paar finnische Schoko-Riegel zukommen lassen und bin dann weiter-
        geduest.
           Es ging weiter gen Sueden - nach ca. 170 km erreichte ich Viljandi
        und habe mich dort wieder mit Verpflegung eingedeckt. Die letzten 25-30
        km auf dieser laengsten Tagesetappe (212 km) wurden auch noch huegelig;
        ein Storch trottete noch gemuetlich vor mir ueber die Strasse und der
        auf der Karte eingezeichnete Campingplatz Hooalaa schien nicht zu
        existieren. Gluecklicherweise war auf der Karte noch ein Platz 6 km
        weiter eingezeichnet. Um zu diesen zu kommen, musste ich einen sandi-
        gen, kleinen Weg benutzen - da konnte es einem schon mulmig werden -
        aber nach ca. 1 km war ich da: Camping Vaibla.
           Kurzum: der billigste Platz meiner Tour: 8 Kroni entspr. ca. 1 DM,
        aber mehr war er wohl auch nicht wert: Toiletten waren Loecher in der
        Erde, Duschen gab es nicht, heisses Wasser wurde auf einem Holzofen in
        der Sauna zubereitet. Baden im See ging auch nicht, da mir nach fast
        100m im See das Wasser nur bis zu den Knien stand. Die Besitzer
        sprachen weder Englisch noch Deutsch. Ausser mir war nur noch ein
        junges Paar aus Tallinn dort, mit denen ich abends gemeinsam am Lager-
        feuer sass. Die Familie, denen der Campingplatz gehoerte, wollten mir
        wohl eine Freude machen: in einer der Holzhuetten machten sie Licht an,
        legten deutsche Kneipen-,Jecken- und Schlagermusik auf, tanzten dazu
        und krakeelten herum. Die beiden aus Tallinn sagten mir, dass die
        Besitzer es fuer mich machen wuerden und wohl darauf warteten, dass ich
        mitfeiere. Aber irgendwie gefiel es mir doch am Lagerfeuer besser.
           Am Morgen drauf war natuerlich noch niemand wach und ich machte mich
        gleich auf den Weg. Ohne richtiges Fruehstueck (2 Muesli-Riegel) und
        den 212 km vom Vortag in den Beinen ergoetzte ich mich nach etwa 30 km
        in Rongu an einem riesigen Stueck Sahnecremekuchen und an einem Liter
        Milch (dazu noch eine Flasche Cola und ein paar Kekse fuer zusammen
        etwa 2 DM).
           Hier im Sueden Estlands war es leicht huegelig. Kurz nach Mittag
        erreichte ich die geteilte Stadt Valga/Valka an der estnisch/lettischen
        Grenze. Ich ueberquerte die Grenze auf einer relativ kleinen Strasse
        mitten im Ort, die mit einer Schranke und reichlich Soldaten gesichert
        war. Die Esten stempelten wieder, die Letten wollten nicht.


LETTLAND:  Zunaechst wollte ich in Valka mein estnisches Geld in lettisches
---------  Geld umtauschen. Die Bank wurde gerade renoviert und man musste ins
           Buero im ersten Stock durch eine Hintertuer, dazu musste ich also
        mein Rad alleine lassen. Aber auch hier wurde nichts geklaut.
        Derartige Bedenken braucht man wohl am helligten Tage in einer wohl-
        belebten Gegend im Baltikum nicht zu haben. Fuer meine 180 estnischen
        Kronen bekam ich ganze 6 lettische Lat. Statt die ausgezeichneten
        Preise durch 8 zu teilen, hiess es jetzt, sie mit 3 malzunehmen.
           In Valka gab es den zweiten Regenschauer meiner Tour, aber da ich eh
        gerade Rast machte, hat er mich nicht gestoert. Ueber Strenci fuhr ich
        durch ausgedehnte Nadelwalder nach Valmiera, einer Stadt, die fuer ihre
        Gehsportler bekannt ist. Etwa 30 km weiter lag der naechste Camping-
        platz am Unguri-See, der zwar keine Dusche, aber zumindest moderne Toi-
        letten und Waschbecken hatte - Baden konnte man hier im See. Hier traf
        ich Dawn und Jane aus England, die mit einer 14 Jahre alten Ente hier-
        hin gekommen waren. Aber sie hatten noch einiges vor sich, da sie noch
        nach St. Petersburg und nach Moskau wollten.
           Am naechsten Morgen stellte ich fest, dass an meiner Hinterradfelge
        ein Speichenloch am Ausreissen war. Dawn und Jane meinten, ich solle
        mir Cesis und Sigulda ansehen, aber aufgrund der kaputten Felge ent-
        schied ich mich fuer die direkte Route nach Riga.
           Auf dieser Strasse kam mir Rick aus Berkeley entgegen, mit dem ich
        erstmal ausgiebig plauderte. Er erzaehlte mir u.a. von Richard und
        Nicki, einem englischen Paar, die ebenfalls mit Fahrraedern unterwegs
        sind. Er hatte sie am Abend zuvor im Hotel in Riga getroffen. Und da
        das Baltikum so klein ist, war es kein Wunder, dass ich sie zwei
        spaeter einholte.
           30 km vor Riga wurde die Strasse vierspurig und erinnerte stark an
        eine Autobahn. Da aber kein Fahrradverbotsschild zu sehen war, bin ich
        munter weitergeradelt. Auch einheimische Radler waren hier unterwegs.
           Nach Riga hinein wurde es ziemlich gefaehrlich, denn in Riga zierten
        tiefe Schlagloecher die Strassen und Unmengen von Trailerbussen (Elek-
        trobusse mit zwei langen als Elektroden dienenden Staeben am Heck)
        waren unterwegs. Die volle Konzentration wurde fuer diese zwei Gefah-
        ren, die beiden Seiten angriffen (vorne und hinten) benoetigt. Zum
        Orientieren musste ich jedesmal an die Seite fahren. Aber ich habe es
        heile bis ins Stadtzentrum geschafft. Verwundert haben mich die Renn-
        raeder, auf denen einige Geschickte oder Verrueckte durch den Verkehr
        huschten.
           Nach der obligatorischen Altstadtberadelung bin ich zu meiner Gast-
        familie geradelt. Das Fahrrad kam dort gleich mit in die kleine
        Wohnung. Am naechsten Morgen bin ich mit Liga mit der Tram in die
        Innenstadt gefahren, um eine neue Felge zu besorgen. In der Naehe vom
        Hauptbahnhof gibt es ein paar brauchbare Fahrradgeschaefte. Auf dem Weg
        dorthin haben wir eine deutsche Radreisegruppe getroffen (vielleicht
        waren es die sechs Leipziger, von denen mir Richard und Nicki spaeter
        erzaehlten). Eine Hohlkammerfelge konnte ich nicht bekommen, da habe
        ich dann eine Billigfelge genommen. Da mir noch nicht klar war, wie ich
        die Felge austauschen sollte (ich befuerchtete, den Zahnkranz abnehmen
        zu muessen und die neue Felge vollkommen neu einspeichen zu muessen),
        beschloss ich mit der alten Felge weiterzufahren und die neue Felge als
        Ersatz mitzunehmen. Ich hatte die Hoffnung, die alte Felge wuerde noch
        bis nach Hause halten (spaeter in Polen riss jedoch das zweite Spei-
        chenloch aus und wechselte dann dort die Felge).
           Nach einem weiteren Altstadtrundgang sind wir mit der Bahn nach
        Jurmala zum Strand an der Rigaer Bucht gefahren (25 km, 45 min eine
        Richtung und 0,5 Lat hin und zurueck fuer uns beide). Auch in Jurmala
        war schoenes Wetter, ein bischen windig vielleicht. Obwohl vom Baden in
        der Bucht abgeraten wird, schwammen einige Leute im Wasser (ach wenn
        ich doch die Badehose mit zum Strand genommen haette). In Jurmala gabs
        eine Promenade und das einzige von mir im Baltikum gesichtete Liegerad
        (Dreirad mit Frontlenkung).
           Am naechsten Morgen machte ich mich auf den Weg nach Litauen. Kurz
        hinter Iecava (30 km suedlich von Riga) traf ich Richard und Nicki (von
        denen mir Rick zwei Tage vorher erzaehlt hatte). Nicki hatte am Vortag
        einen Speichenbruch an ihrem Rad gehabt und da Richard fuer das Rad
        keinen passenden Zahnkranzabzieher dabeihatte, waren sie am Vortag von
        Iecava mit dem Bus zurueck nach Riga zum Reparieren gefahren. Sonst
        haette ich die beiden ueberhaupt nicht oder vielleicht erst in Polen
        getroffen (wie ich spaeter erfuhr, als sie mich in Bad Lippspringe be-
        suchten, 9-11.Sept.'94, haben sie in Polen fast die gleiche Route wie
        ich genommen). Es war nett mal mit anderen zusammen zu fahren. Bisher
        war ich ja nur mit Holger von Naantali nach Turku und mit Risto vier
        Stunden durch Helsinki geradelt.
           In Bauska, den letzten groesseren Ort im Sueden Lettlands machten
        wir Mittagspause. Dort kaufte ich 8 Stueckchen Kuchen fuer umgerechnet
        80 Pfennig. Ca. 1 Stunde spaeter erreichten wir die Grenze bei
        Salociai: die Letten wollten wieder nicht stempeln, dafuer aber die
        Litauer. Die Geldwechselstuben waren zwischen den beiden Schranken im
        Niemandsland aufgestellt. Als wir durch beide Schranken durch waren,
        stellten wir fest, dass wir hier wohl kein Geld mehr tauschen koennen
        (Rick war es genauso ergangen und als er einfach zurueck zur Geld-
        wechseldstube ging, haben die Grenzposten ihm Geld fuer ein zusaetz-
        liches Visum abgeknoepft).


LITAUEN:  Zunaechst machten wir Bekanntschaft mit dem Seitenstreifen der zu
--------  schmalen Hauptstrasse von der Grenze ueber Pasvalys nach Panevezys.
          Die litauischen LKW- und PKW-Fahrer sind hier ziemlich ruecksichts-
        los. Sie bleiben nicht hinter Radfahrern, wenn es Gegenverkehr gibt,
        nein, sie brettern ungebremst zwischendurch. Nur gut, dass der Seiten-
        streifen breit genug und einigermassen befestigt ist - zum dauernden
        Befahren ist er aber zu unangenehm.
           In Pasvalys haben wir entlang der Hauptstrasse keine Moeglichkeit
        zum Geldwechseln gefunden und so fuhren wir weiter nach Panevezys, wo
        wir gegen 20 Uhr eintrafen. Nach etwas Suchen fanden wir ein guenstiges
        Hotel (12 DM pro Person), wo wir das Rad auch mit auf das Zimmer nehmen
        konnten. Aber das Personal sprach weder Englisch noch Deutsch und
        deutsches Geld wollten sie nicht nehmen. Zum Glueck zeigte mir ein Ein-
        heimischer ein grosses Hotel, in dem wir unser Geld tauschen konnten.
        Spaetabends sind wir noch in eine Bar gegangen, wo es aber nur noch
        ein Gericht gab.
           Am naechsten Morgen kochten Richard und Nicki Porridge. Gut ge-
        staerkt verliessen wir Panevezys. Nach ca. 10 km trennten sich unsere
        Wege, da die Beiden auf dem kuerzerem Weg ueber Kaunas nach Polen
        wollten, waehrend ich mir noch Vilnius und Trakai anschauen wollte. Wir
        verredeten, uns am darauffolgenden Tag im Grenzort Lazdijai um 17 Uhr
        wiederzutreffen.
           Direkt hier begann eine Autobahn, die ich ohne Bedenken beradelte
        (in Riga ging es ja auch). Auch einige Polizei-Autos ueberholten mich
        dann und wann. Aber es schien hier wohl auch ueblich zu sein. Nach
        etwas ueber der Haelfte der 140 km bis Vilnius traf ich die naechsten
        Reiseradler. Diesmal handelte es sich um drei Weissrussen, die das
        Baltikum beradelten. Einer von ihnen hatte gerade eine Panne. Sie waren
        sehr erstaunt, dass ich allein radelte. Da sie sich weder helfen
        lassen, noch Schokolade mitessen wollten, habe ich mich kurzerhand
        wieder auf den Weg gemacht.
           Bis kurz vor Vilnius war die Strecke im Baltikum flach gewesen (mit
        Ausnahme von Viljandi-Vaibla) und da war ich ziemlich ueberrascht, dass
        es hier richtig huegelig wurde. Vilnius zeigte sich mir nicht gerade
        von der schoensten Seite. Es war ein abrupter Uebergang von landwirt-
        schaftlich genutzter Flaeche zu einer Trabantenstadt, einer Betonwand
        aus Hochhaeusern in desolatem Zustand. Die fuer baltische Hauptstaedte
        typischen tiefen Schlagloecher liessen nicht lange auf sich warten.
        Zum Stadtzentrum ging es einige Kilometer bergab und nach dem Ueber-
        queren der Neris (einem Zufluss des Nemunas -Memel) war ich im Zentrum.
        Dort umfuhr ich nichtsahnend in geschickter Weise die Altstadt, sodass
        ich von ihr kaum etwas sah. Am Bahnhof besorgte ich mir dann ein paar
        Postkarten und Briefmarken.
           Dann machte ich mich auf auf den Weg nach Trakai, einem mittelalter-
        lichen Schloss ca. 30 km westlich von Vilnius mit einem der wenigen
        litauischen Campingplaetze. Der Weg dorthin war nicht einfach zu finden
        (Trakai war halt nicht ausgeschildert), sodass ich eine andere Route
        benutzte, als ich eigentlich vor hatte (ueber Lentvaris). Und ich nehme
        an, diese war wesentlich anstrengender als die geplante. Waren die 140
        km nach Vilnius noch mit wenig Kraftanstrenung verbunden, so wurde es
        auf diesen letzten 40 km noch richtig muehsam.
           Der Campingplatz entschaedigte mich dafuer mit der ersten heissen
        Dusche seit Tallinn. Ausserdem traf ich mal wieder einige Radler: vier
        Hamburger Studenten (die mit der Faehre gekommen waren und nur durch
        Litauen radelten) und Christian aus Kopenhagen (der zuhause gestartet
        war und noch nach Tallinn wollte). Der Platz war mit umgerechnet etwa
        8 DM recht teuer, bot dafuer aber auch saubere Toiletten und wie gesagt
        eine heisse Dusche. Abends beim Essenkochen sassen wir noch lange ge-
        muetlich zusammen und tauschten unsere Erfahrungen aus.
           Am naechsten Morgen war es regnerisch. Kurz nach meiner Abfahrt
        setzte ein etwas staerkerer Dauerregen ein. Und es wurde verdammt
        huegelig. Aber das beide alleine ist ja halb so schlimm, wenn nicht
        zusaetzlich ein starker Westwind mit Windstaerken zwischen 4 und 6
        geweht haette. Nach einer Stunde erwischte ich mich dann auch bei der
        Frage, warum ich diese Quaelerei ueberhaupt mache. Eine halbe Stunde
        spaeter kam ich in Aukstadvaris an, es hoerte auf zu regnen und ich
        konnte in einem Laden Verpflegung (trotz Sonntag) nachkaufen. Ausnahms-
        weise kaufte ich mal eine Getraenkedose (ich sollte Markus ja eine Dose
        aus dem Baltikum mitbringen - er sammelt die Dinger naemlich). Diese
        Diet-Cola-Dose kam aus Toronto, Kanada. Und sowas mitten in der litau-
        ischen Provinz.
           Hier habe ich meinen Plan aufgegeben, bis 17 Uhr Lazdijai zu errei-
        chen, um Richard und Nicki wiederzutreffen. Es waren noch ca. 100 km
        und es waren nur noch 5 Stunden. Dafuer traf ich eine Stunde spaeter
        Ryan. Er kam mir entgegen. Ryan (aus Seattle, Arzt) war mit einer
        amerikanischen Reisegruppe unterwegs. Sie waren in Petersburg gestartet
        und wollten bis nach Vilnius. Da es diesen Morgen auch in Kaunas stark
        geregnet hatte, hatten sich seine Mitreisenden entschieden, mit der
        Bahn von Kaunas nach Vilnius zu fahren. Ryan hatte am Abend vorher in
        Kaunas Nicki getroffen (wie klein die Welt hier doch ist). Und Ryan
        berichtete mir von dem tollen Rueckenwind an diesem Morgen, der ihn
        richtig die Berge hinaufschob. Schoen fuer ihn (Grrrr.)
           Nach weiteren 10 km erreichte ich den Abzweig gen Sueden. Ab hier
        hatte ich statt Gegenwind jetzt starken Seitenwind. Aber ich war zu
        geschwaecht, um es an diesen Tag ohne Ueberanstrengung nach Lazdijai
        zu schaffen. So entschied ich mich, in Alytus zu uebernachten. Als ich
        dort ankam, schaute ich in meinen Reisefuehrer nach einem Hotel und
        musste feststellen, dass ich gerade direkt vor einem Hotel stand. Fuer
        wiederum 12 DM kam ich unter. Das Fahrrad konnte ich hier in der Ein-
        gangshalle an einem Gelaender abschliessen.
           Der weitere Weg zur Grenze erwies sich als ausgesprochen huegelig
        und ich fuehlte mich in meiner Entscheidung vom Vortag, in Alytus zu
        uebernachten, bestaetigt. Gegen 12 Uhr erreichte ich die Grenze. Hier
        konnte ich mich einmal richtig an der litauischen Buerokratie ergoe-
        tzen: vom ersten Zoellner erhielt ich einen Zettel, der nur in Litau-
        isch bedruckt war, auf dem ich was Ausfuellen sollte. Nach 2 Minuten
        dumm rumstehen, nahm er ihn mir wieder aus der Hand, schrieb zwei
        Einsen drauf und stempelte ihn und schickte mich zur Schranke. Dort
        erhielt der Zettel den zweiten Stempel. An der naechsten Schranke Stem-
        pel drei und vier, an der naechsten Station Stempel fuenf und sechs. An
        der letzten Schranke wurde ich ueberrascht: anstatt weitere Stempel auf
        das kleine Zettelchen zu hauen, zaehlte der dortige Zoellner eifrig die
        Stempel und liess mich dann passieren. So beschaeftigt man acht Leute.
           Nun kam die polnische Seite: ein freundliches, deutsches "Guten
        Morgen und gute Fahrt" und nicht mal ein Blick in den Reisepass wollten
        sie werfen.

Polen

POLEN:  Auf der polnischen Seite der Grenze kam mir ein deutscher Radler ent-
------  gegen, den ich fragte, ob er einem radelnden Paar (naemlich Richard und
        Nicki) begegnet waere. Als er daraufhin erwiderte, dass ihm gerade vor
        2 km ein Paar entgegengekommen war, habe ich versucht sie einzuholen.
           Aber bis zur Stadtgrenze des naechsten Ortes Sejny gelang mir das
        nicht. In Sejny sah ich dann zwei bepackte Raeder vor einer Bar stehen
        und wusste gleich, dass es nicht Richard und Nicki waren. Es waren
        Maria und Uwe aus Berlin, die ein bischen durch Litauen und Masuren
        tourten. Da ich aufgrund der zusaetzlichen Stunde durch den Grenzueber-
        tritt frueh dran war, blieb ich noch laenger in der Bar. Wie ich erst
        Wochen spaeter erfuhr, waren Richard und Nicki nur einige Hundert Meter
        entfernt in einem Hotel.
           Gegen 15 Uhr machte ich mich auf den Weg nach Augustow, der durch
        die Augustower Puszta fuehrte. Das ging etwa 35 km durch den Wald und
        war ziemlich flach und liess sich daher sehr gut beradeln.
           Kurz vor 18 Uhr erreichte ich Augustow. Da gerade Feiertag war,
        hatten nur wenige Geschaefte geoeffnet - insbesondere keine Banken. Zum
        Glueck hatte ich an der Grenze schon etwas Geld getauscht.
           Dann fuhr ich zum Campingplatz, der etwas noerdlich an der Strasse
        nach Suwalki liegt. Dieser gehoert zum Hotel Hettmann und warme Duschen
        konnte man im Hotel benutzen. Dort traf ich Carola und Klemens aus
        Berlin, die bereits seit zwei Wochen durch Masuren radelten. Lustig war
        auch der Platzwart, mit dem ich mich auf Spanisch verstaendigen konnte.
           Hier machte ich auch Bekanntschaft mit polnischer Pizza: weiches
        Weissbrot, belegt mit Pilzen aus der Dose, mit ein paar Fitzelchen
        Kaese garniert, mit Ketchup aus der Plastikflasche und gebacken in der
        Mikrowelle. Junkfood at its best.
           Fuer den naechsten Tag hatte ich mir Mragowo als Ziel gesetzt. In
        Augustow wollte ich jedoch zunaechst noch einen Reisecheque einwech-
        seln. Dazu schickte man mich von einer Bank zur anderen, nichtmal die
        PKO wollten die - aber zuguterletzt schickte man mich zu Orbis, wo es
        problemlos ging.
           Auf halber Strecke nach Elk traf ich zwei Berlinerinnen (Claudia und
        Colette), die den Nachtzug von Stettin nach Elk genommen hatten (nur
        DM 60) und nach Litauen wollten.
           Auch Masuren erwies sich als recht huegelig. Wie sollte
        es denn auch anders sein, wenn es so viele Seen gibt, die nicht
        abfliessen koennen ? So war ich abends recht frueh k.o. und
        entschied bereits in Mikolajki zu uebernachten.
           In Masuren waren sehr viele deutsche Touristen - vor allen
        Dingen Wessis und viele aeltere Menschen. Es waren stellenweise
        soviele, dass auf den Strassen mehr Autos mit deutschen als mit
        polnischen Kennzeichen unterwegs waren.
           So war auch Mikolajki ein richtiges Touristenzentrum. Die Geschaefte
        sind teilweise nur in Deutsch beschriftet (Silberschmuck, Bernstein) -
        das erinnerte mich Rothenburg, wo japanische Schriftzuege die Schau-
        fenster zieren.
           In Mikolajki traf ich Katharina und Reinhold, zwei bahnreisende
        Geschichtstudenten aus Hannover, neben deren Zelt ich dann meines
        aufschlug. Abends spielten wir noch 2 Runden Billard, dann ging ich
        hundemuede ins Bett.
           Von Mikolajki aus wollte ich meinen Rueckstand wieder aufholen und
        visierte Ilawa an, aber mir kam wieder etwas in die Quere. Aber der
        Reihe nach: erstmal Mragowo, eine kleine Industriestadt scheint mir --
        hier fuhren die Touris nur durch - ebenso wie der Bus aus Bad Lipp-
        springe, meinem Wohnort, der mich hier ueberholte.
           Nachmittags erreichte ich Olsztyn, das eine schoene Altstadt
        besitzt. Als ich dort in einem Cafe meinen Tortenappetit abbauen
        wollte, fand ich keinen freien Tisch. Dann fragte ich zwei Maedchen,
        auf deren Tisch ein deutschsprachiger Reisefuehrer lag. Als ich sagte,
        ich komme aus Paderborn mussten die beiden lachen, denn eine von den
        beiden kam ebenfalls aus Paderborn. Sie studierte jedoch (mit der
        anderen) Medizin in Muenster.
           Als ich wieder losfahren wollte, untersuchte ich mein Hinterrad. Es
        hatte sich auf dem Kopfsteinpflaster in Olsztyn etwas komisch verhal-
        ten. Da entdeckte ich, dass das zweite Speichenloch an der Felge auszu-
        reissen begann. Nach reiflicher Ueberlegung kam ich zu dem Schluss nur
        noch etwa 30 km bis Ostroda zu radeln und dort abends waehrend der ein-
        gesparten Zeit, die Felge zu wechseln. Ich hatte ja die Ersatzfelge aus
        Riga noch dabei.
           Unterwegs traf ich mal wieder zwei Berliner Radler (scheinbar kommen
        alle Radler in Masuren aus Berlin, dies waren ja jetzt Nummer 7 und 8),
        die in Berlin zwei Wochen zuvor aufgebrochen waren.
           In Ostroda auf dem Campingplatz traf ich Imke und Donate aus
        Hannover, die bereits seit zwei Tagen dort waren. Sie waren mit der
        Bahn hier angekommen und gleich in der ersten Nacht wurde ihnen eins
        ihrer beiden Raeder gestohlen (natuerlich dasjenige, das nur mit einem
        Drahtseilschloss gesichert war). Daher bestanden die Platzbesitzer
        jetzt darauf, dass die Rader abends eingeschlossen werden.
           Waehrend ich die Felge umspeichte, leisteten Imke und Donate mir
        Gesellschaft und schmissen sogar meinen Kocher in Gang. Das Umspeichen
        klappte bis zum Dunkelwerden, das Zentrieren verlegte ich auf den
        naechsten Morgen.
           An diesem Morgen wollte es nicht aufhoeren zu regnen, wie den
        ganzen Tag nicht. So kam es, dass ich an diesem Tag wieder nicht mein
        gestecktes Ziel (Swiecie an der Weichsel) erreichen konnte. Dazu kam,
        dass die Strasse von Ostroda nach Ilawa gesperrt war und ich der Umlei-
        tung nach Lubawa folgte. Nach drei Stunden Regenradelei auf einer nicht
        allzubreiten vielbefahrenen Strasse habe ich dort in einer Tankstelle
        pausiert und mir ueberlegt, wie weit ich es wohl noch schaffe. Mein
        urspruengliches Tagelsziel war noch etwa 60 km weit weg. Aber aufgrund
        der Besorgnis, dass ich auskuehle und mich gar erkaelte, entschloss ich
        mich statt in westlicher Richtung gen Suedwesten nach Brodnica zu
        radeln, das nur noch 30 km entfernt war. Da dort der Campingplatz leer
        war, ausser einem Hund vor der Wohnung des Platzwartes schien niemand
        anwesend zu sein, nahm ich mir ein Zimmer in einem Hotel und machte
        mir einen gemuetlichen langen Abend.
           Am naechsten Tag konnte ich endlich mal wieder mein gestecktes
        Tagesziel erreichen. Ueber die beiden grossen Staedte Torun und
        Bydgoszcz ging es nach Naklo nad Notecia. Auf den vielbefahrenen
        Strassen machte das Radeln nicht besonders viel Spass, aber Toruns
        Altstadt war sehenswert.
           Von Torun aus ging es nach ca. 30 km ueber die Wisla, die Weichsel,
        ueber eine Bruecke, die gleichzeitig als Eisenbahnbruecke diente.
        Bydgoszcz war industrieller und die Fussgaengerzone war laengst nicht
        so gross wie in Torun. Zwei Stunden spaeter war ich in Naklo, wo mir
        eine freundliche Lebensmittelverkaeuferin eine nette kleine Privat-
        pension etwa 2 km noerdlich vom Zentrum empfahl. Wie ich spaeter von
        Richard und Nicki hoerte, uebernachteten sie hier im Bahnhofshotel.
           Von Naklo folgte ich der Notec fuer ueber 100 km. Hier war es sehr
        laendlich: viele Wald- und Feuchtgebiete. Auf den Strassen wimmelte
        es streckenweise von Froeschen. Kein Wunder, dass es hier so viele
        Stoerche gibt. Durch kleinere Staedte wie Chodziez, Czarnkow und Wielen
        kam ich nach Krzyz, wo mich mein preiswertester Campingplatz erwartete.
        Fuer nur 25.000 Zloty (ca. 1,80 DM) gab es hier sogar eine heisse
        Dusche.
          Von Krzyz folgte ich weiter der Notec, die dann kurz vor Gorzow in
        die Warta muendete. Gorzow erwies sich fuer mich als die Stadt mit dem
        schlechtesten Strassenbelag auf der ganzen Tour. Es kam mir noch
        schlimmer vor als Riga oder Vilnius. Nach etwa 100 km erreichte ich
        Kostrzyn und war kurz danach nach 31 Tagen wieder in Deutschland.

Brandenburg, Berlin und zurueck

BRANDENBURG und BERLIN:  Nachmittags gegen 17 Uhr kam ich ueber die Oderbruecke
-----------------------  von Kostrzyn nach Kietz. Ich folgte der B1 bis nach
                         Seelow und bog dort ab gen Sueden zur Lebuser Hoch-
        flaeche. Nach ca.20 km erreichte ich gegen 21 Uhr den Campingplatz am
        Petersdorfer See. Da kein Platzwart auffindbar war, schlug ich mein
        Zelt neben dem eines Studentenpaars aus Leipzig auf. Leider gab es hier
        kein Warmwasser und keine Dusche - ach wie gut waren da doch die polni-
        schen Campingplaetze ausgestattet.
           Nachdem auch am naechsten Morgen kein Platzwart zu finden war,
        machte ich mich auf den Weg nach Berlin. Ich fuhr auf dem direkten Weg
        zum Oder-Spree-Kanal und wollte dort dem auf der BVA-Karte eingezeich-
        neten Radweg an der Suedseite des Kanals bzw. der Spree nach Fuersten-
        walde folgen. Aber da ich hatte keine Lust auf eine Schwimmeinlage am
        Abzweig des Kanals von der Spree hatte, war es mir nicht moeglich
        dieser Strecke zu folgen. So verschlug es mich nach Drahendorf. Von
        dort wollte ich den direkten Weg nach Fuerstenwalde ueber Langewahl
        nehmen. Dazu musste ich mein Rad samt Gepaeck durch ein etwa 6 km
        langes Sandloch schieben - BVA-Karte sei Dank ! Voellig entkraeftigt
        erreichte ich Fuerstenwalde und genehmigte mir dort in einem schoenem
        Cafe erstmal Pellkartoffeln mit Quark und als Nachtisch zur Aufmunte-
        rung noch ein Stueck Torte.
           Ab hier versuchte ich in den FNL nur noch den eindeutig als geteert
        markierten Strassen zu folgen. Von Fuerstenwalde ging es ueber
        Hangelsberg, Fangschleuse, Erkner, Neu-Zittau, Gosen und Schmockwitz
        nach Gruenau am Berliner Stadtrand am Langen See, wo ich zur Auffri-
        schung einen Eisbecher verzehrte. Ueber Adlershof und am Teltower Kanal
        entlang gelangte ich nach Kreuzberg hinein, wo ich mich nach etlichen
        Wochen wieder an einer Falafel erfreuen konnte. Da ich die naechste
        Nacht bei Klemens in Wedding uebernachten wollte, den ich in Augustow
        in Masuren getroffen hatte, fuhr ich erstmal mitten durch die ehemals
        geteilte Stadt. Hier war inzwischen so viel gebaut worden, dass ich
        es nicht merkte, als ich vom ehemaligen Ost- in den Westteil (und
        anders herum) kam.
           Leider war Klemens nicht zuhause. Ich hatte ihm wohl gesagt, dass
        ich einen Tag frueher kaeme und hatte dies nicht mehr Recht in Erinne-
        rung behalten. Gluecklicherweise erwischte ich aber Hajo telefonisch
        und er bot mir einen Schlafplatz bei sich in Moabit an, das ja auch nur
        2 km entfernt war.
           Am folgenden Tag war ich auf Sightseeing-Tour: Reichstag, Branden-
        burger Tor, Unter den Linden, Alexanderplatz, Siegessaeule, Tiergarten,
        Schloss Bellevue und Charlottenburg. Dort habe ich mir in einem indi-
        schen Imbiss noch den Magen vollgeschlagen, bevor ich zum Bernd nach
        Spandau geradlet bin, der mich in Helsinki eingeladen hatte, auf dem
        Rueckweg bei ihm vorbeizuschauen.
           Am naechsten Morgen fuhr ich an der B5 aus Berlin heraus, am Olympi-
        schen Dorf vorbei nach Nauen. Kurz dahinter in Selbelang verliess ich
        die B5, um eine der alten zweispurigen Betonpisten zu testen. Aber
        diese war nur 2 km lang. Ueber die kleinen Doerfer Retzow, Moethlow,
        Liepe, Damme, und Nennhausen fuhr ich auf Rathenow zu. Doch im Wald
        kurz vor Rathenow erlitt ich den dritten Platten dieser Tour. Ich habe
        daraufhin nochmal aufgepumpt und das hat bis ins Stadtzentrum gehalten.
        Dort habe ich mich in einem Cafe erstmal vor der Arbeit mit Reibekuchen
        und anschliessend einem Stueck Torte gestaerkt. Daraufhin klappte der
        Schlauchwechsel auch innerhalb von 30 Minuten.


SACHSEN-ANHALT:  Von Rathenow nach Tangermuende folgte ich der B188. Zunaechst
---------------  ging es durch das Waldstueck Land Schollene und dann an
                 einer km-langen Reihe Apfelbaeume zur Elbebruecke vor Tanger-
        muende. Dies ist ein schoenes kleines Staedtchen mit gut erhaltenen
        mittelalterlichen Stadtkern.
           15 km weiter in Luederitz hatte ich Glueck um 5 Minuten vor 18 Uhr
        noch einen Lebensmittelladen zu finden, denn hier schliessen die Laeden
        bereits um 18 Uhr. In Uchtspringe kam ich wieder auf die B188 und
        folgte dieser wieder, ueber Gardelegen nach Solpke. Hier musste ich
        noch einer Umleitung folgen, da aufgrund des Baus der neuen Bahnlinie
        nach Berlin die direkte Verbindung von Weteritz nach Jerchel unpassier-
        bar war. So ging es ueber Solpke nach Jerchel und weiter ueber
        Jeseritz und Berenbrock nach Calvoerde. Dort ueberquerte ich den
        Mittellandkanal. Es war 21 Uhr und bereits dunkel und ich wollte noch
        zum 8 km entfernten Campingplatz in Flechtingen. Als ich dort schliess-
        lich ankam, sagte mir der erste, den ich nach dem Campingplatz fragte,
        dass es den nicht mehr gebe. Welch eine Freude nach 180 km Fahrt samt
        eines Schlauchwechsels ! Ich liess mir erklaeren, wie ich zu dem Zelt-
        platz kam und fuhr dorthin. Dort war noch ein Kiosk des Besitzers ge-
        oeffnet. Meine Frage, ob ich nicht ausnahmsweise dort uebernachten
        koenne, wurde verneint. Wenn ueberhaupt, dann muesste ich schon den
        Buergermeister fragen. So kam es denn, dass um 22 Uhr beim Buerger-
        meister ein mueder Radler klingelte. Seine Frau oeffnete die Tuer, ich
        erzaehlte ihr mein Leid und sie rief dann nach hinten "Karl, da ist
        schon wieder so'n Radfahrer, der hier zelten will", worauf als Antwort
        "Ja, lass ihn mal" kam. So hatte ich dann doch noch eine Bleibe gefun-
        den. Freundlicherweise schloss mir der Zeltplatzbesitzer noch die
        sanitaeren Anlagen auf, so dass ich wenigstens kalt duschen konnte (an
        Warmwasser war ja hier nicht zu denken).
           Am naechsten Morgen ging es ueber den Flechtinger Hoehenzug nach
        Behnsdorf, wo mir in der dortigen Baeckerei die Baeckersfrau erzaehlte,
        dass diesen Sommer sehr viele Radler durch diesen Ort gekommen seien.
        Weiter ueber Weferling ging es ueber die ehemalige innerdeutsche Grenze
        nach Grasleben.


NIEDERSACHSEN:  30 km weiter in Braunschweig goennte ich mir im Spaghetti-
--------------  Palast Fettucine und nebenan im Cafe mal wieder ein Stueck
                Torte. Als ich dann mein Rad durch die Innenstadt schob, begann
        es wie aus Kuebeln zu schuetten und es wollte nicht aufhoeren. So ent-
        schied ich mich nach einer halben Stunde zusehen zum Weiterfahren. In
        Velchede klaerte ich meine Uebernachtungsmoeglichkeit in Hannover ab.
        Die naechsten 50 km und drei Stunden ging es dann im Regen nach
        Hannover, das mich mit einem Regenbogen erwartete. Nach etwas Suchen
        habe ich dann auch zum Martin gefunden.
           Der naechste Morgen war der letzte der Tour. Nach 20 km fuhr ich bei
        Eldagsen auf den kleinen Deister zu. Hier traf ich noch einen weiteren
        Radler. Er kam aus Gera und war vier Monate lang durch Westeuropa gera-
        delt und hatte eine deutlich laengere Strecke zurueckgelegt. Er
        erzaehlte von der tollen Stimmung in den irischen Pubs und vom Schnee,
        der selbst im Hochsommer auf der Nordseite der Berge an der schotti-
        schen Kueste liegt. Auf der Ueberquerung des Deister kamen mir noch
        zwei alleinreisende bepackte Radler entgegen, das scheint hier eine
        Hauptverbindung fuer Reiseradler zu sein.
           Ueber Coppenbruegge und Afferde erreichte ich in Hagenohsen die
        Weser und folgte nun der Emmer ueber Bad Pyrmont nach Schieder zum
        Emmersee, wo die MS Lipperland von einem Kapitaen mit Drehwurm
        gesteuert wurde. Ueber Woebbel, Billerbeck und Vahlhausen fuhr ich
        auf Horn-Bad Meinberg zu. Den Teutoburger Wald durchquerte ich im
        Baerental. Schliesslich erreichte ich ueber Kohlstaedt, Schlangen
        den Endpunkt meiner Tour: Bad Lippspringe.


           Resumee: Oefter machen !